Petition: Fliegen mit Diabetes Typ 1

Petition
Fliegen mit Diabetes Typ 1

Veröffentlicht am 07.05.2021
Fliegen mit Diabetes Typ 1
Foto: Carsten Büsch

Segelflug mit 15, Motorflug mit 17 und dann ins Cockpit eines Airliners: Seit seiner Kindheit träumte Jonas Karbach vom Weg ins Cockpit – und mit der Alleinflugreife nach wenigen Wochen als aktiver Segelflugschüler schien dem auch nichts entgegenzustehen. Mitten in der PPL-Ausbildung dann der Schock: Sein Arzt diagnostiziert Diabetes Typ 1. "Es ging mir in diesen Tagen nicht gut, irgendwann meinte meine Mutter, wir müssten mal zum Arzt und das abklären lassen. Als der Arzt am 9. September 2009 das Wort Diabetes ausspricht, sind alle Träume, denen ich über zehn Jahre nachhing, in einer Sekunde geplatzt."

Anfangs ist Jonas noch häufig auf dem Flugplatz in Koblenz-Winningen, macht Windendienste, fliegt als Co-Pilot mit. Um den Traum von der Zukunft in der Luftfahrt nicht völlig aufzugeben, macht er eine Ausbildung zum Servicekaufmann für Luftverkehr am Flughafen Köln-Bonn. "Einerseits war es toll, am Thema dran zu bleiben. Andererseits hat es mich auch immer wieder runtergezogen, zu wissen, dass mir der Weg ins Cockpit verwehrt bleibt. Die Schichtarbeit hat ein übriges getan, sodass ich dann beschlossen habe, mich nochmal umzuorientieren und in die IT zu gehen, ein Fach, das mir in der Schule immer Spaß gemacht hat.

Völlig aufgegeben hat Jonas seinen Traum indes nie. Immer wieder recherchiert er zum Thema Diabetes und Fliegen und stößt auf eine mögliche Unstimmigkeit in den Regelungen: Demnach dürfen Piloten mit Diabetes Typ 2 trotz Insulintherapie fliegen, wenngleich mit Sicherheitspilot. Typ-1-Diabetikern bleibt dies jedoch verwehrt. "Warum das so ist, dazu fand sich keine Antwort, und das machte mich wahnsinnig."

Jonas Karbach

Bei Typ-1-Diabetikern wie Jonas produziert die Bauchspeicheldrüse zu wenig oder gar kein Insulin, ein Hormon, das für den Kohlenhydratstoffwechsel essenziell ist. Deswegen müssen Betroffene ihren Blutzuckerspiegel regelmäßig kontrollieren und mittels Insulininjektionen auf den richtigen Wert einstellen. Bei Diabetes Typ 2 produziert die Bauchspeicheldrüse zwar insulin, durch verschiedene Faktoren wie genetische defekte, hormonelle Störungen oder andere Erkankungen wie beispielsweise starkes Übergewicht reagieren die Zellen darauf jedoch nicht wie bei gesunden Menschen und nehmen Zucker aus dem Blut nicht oder nur in geringerem Maße auf. Bei Typ 2 gibt es neben der Insulintherapie auch andere medikamentöse Behandlungsmethoden. Reichen die nicht aus, müssen auch Typ-2-Diabetiker Insulin spritzen.

Anfang 2020 stößt Jonas Karbach in einem EASA-Forum auf ein Thema mit dem Titel "Insulin treated diabetes", in dem sich einige Betroffene darüber austauschen. "Hier wurde sehr sachlich diskutiert, und angesichts der Tatsache, dass sich auch EASA-Mitarbeiter an der Debatte beteiligten, habe ich da auch gepostet. Anfangs sehr emotional, aber ich musste erstmal Druck ablassen. Es tat gut, zu sehen, dass die Problematik hier an der richtigen Stelle adressiert war und ernstgenommen wurde."

Ein Lichtblick für die Betroffenen kam – wie so oft in der Luftfahrt – aus den USA. Dort wurde Mitte 2020 erstmals einem Typ-1-Diabetiker ein Medical Klasse 1 ausgestellt und damit der Weg in ein Kommerzielles Cockpit geebnet. "Angesichts moderne automatischer Messsysteme und automatischer Insulinpumpen ist die Sicherheit für Diabetiker heute viel größer als vor zehn oder 20 Jahren. Die FAA zeigt, dass es geht, jetzt müssen wir zeigen, dass es auch in Europa genügend Betroffene gibt, die sich eine Neuregelung wünschen."

In einer WhattsApp-Gruppe tauschen sich Jonas und andere Diabetiker mit Cockpit-Ambitionen aus, haben eine Mailadresse (FlyWithT1D@web.de) angelegt, unter der sich weitere Betroffene melden können. Und dann entstand die Idee mit der Petition. "Der Themenersteller im EASA-Forum hatte diese Idee, und die habe ich gerne aufgegriffen, einfach, um eine breite Öffentlichkeit auf das Problem aufmerksam zu machen", sagt Jonas. Und die Rückmeldungen seien überwältigend. Innerhalb weniger Tage hätten mehr als 1200 Menschen die Petition unterzeichnet. "Damit hatte ich nicht im Ansatz gerechnet. Es zeigt mir aber, dass meine Leidensgenossen und ich nicht alleine sind mit unserer Sache. Vor allem freut mich, dass viele Leute nicht nur gezeichnet haben, sondern uns auch motiviert haben, diese Sache zu verfolgen. Und wenn hier viele Stimmen zusammen kommen, dann ist das natürlich ein Verhandlungsargument, sollte tatsächlich ein konstruktiver Austausch mit der EASA in Gang kommen."

Der EASA haben Jonas und seine Mitstreiter Gespräche angeboten, um auch die Sicht der Betroffenen dort platzieren zu können. "Ich bin gespannt, ob es seitens der Flugsicherheitsagentur handfeste und medizinisch begründete Argumente gegen Typ-1-Diabetiker im Cockpit gibt, oder ob man die Problematik bisher gar nicht wirklich auf dem Schirm hatte. In jedem Fall freue ich mich über jeden, der unsere Petition zeichnet und den Diabetikern in der Fliegerfamilie damit Unterstützung signalisiert."

Die Petition ist unter diesem Link zu erreichen.

Der aerokurier berichtet in einer der nächsten Ausgaben über die Entwicklung der Petition, die Einschätzung der EASA und die Sicht von Diabetesexperten auf den Sachverhalt Fliegen mit Diabetes Typ 1.