Wenn es um CO2-Emissionen und Klimaschutz geht, ist man sich inzwischen unter vernünftigen Menschen fast immer einig: Es muss etwas passieren, so kann es nicht weitergehen. Zum Problem wird diese Erkenntnis allerdings, wenn es um die ganz persönlichen Emissionen geht. Dann sind die Gründe, die gegen einen batterieelektrischen Antrieb sprechen, vermeintlich übermächtig. Zu teuer, nicht alltagstauglich, unausgereifte Technik und überhaupt: Unsere Emissionen sind doch gar nicht das Problem, die der anderen sind viel schlimmer. Außerdem sollten die Hersteller erstmal vernünftige Elektroflugzeuge bauen.
Die Hersteller halten allerdings dagegen: Es gebe einfach keine Nachfrage bei den Kunden, die Energiedichte der Akkus sei immer noch viel zu gering, und die Entwicklungskosten bekomme man sowieso nie wieder herein. Daher bleibt es dann meist bei halbherzigen Schaufensterprojekten, die einmal im Jahr auf der AERO präsentiert werden – wenn überhaupt. Was kann man als Pilot also tun, wenn man tatsächlich einen anderen Weg gehen will?
Auf dem UL-Flugplatz Sulz am Oberlauf des Neckars steht ein kleines Ultraleichtflugzeug, dessen Besitzer alle Gegenargumente in den Wind geschlagen hat. Der UL-Pilot und leidenschaftliche Tüftler Klaus Wolter hat seinen Moskito 1b einfach selbst zum Elektroflugzeug umgebaut. Die positive Überraschung dabei: Der finanzielle Aufwand ist überschaubar. Und selbst die gefürchtete deutsche Bürokratie beim Umbau eines ULs ist letztlich keine unüberwindbare Hürde.
Flieger und Tüftler
Klaus Wolter gehört zur ersten Generation der UL-Flieger in Deutschland. In den 1970er Jahren kommt er vom Drachenfliegen über die ebenfalls gewichtskraftgesteuerten Trikes zu seinem ersten Dreiachser-UL, dem Sherpa, einer einfachen Rohr-Tuch-Konstruktion. Das Tüfteln und Selbstbauen gehört von Anfang an wie selbstverständlich zu seiner Fliegerleidenschaft dazu. Mit einem motorisierten Drachen Marke Eigenbau, angetrieben von einem acht PS starken Honda-Viertakter, beteiligt er sich in den 1980er Jahren unter anderem am Berblinger-Wettbewerb der Stadt Ulm. Als engagierter Mathe- und Techniklehrer tüftelte er außerdem mit seinen Schülern im Rahmen von "Jugend forscht" und dem "Artur-Fischer-Erfinderpreis" an vielen Projekten, darunter zwei Solarmobile.
Die Idee zum Umbau des Moskitos entsteht über einen Umweg. Klaus Wolter hat den Einsitzer vor vielen Jahren ohne Motor gekauft, um ihn später, als Pensionär, mit einem Viertakter auszurüsten. Das UL wurde formal noch nie als Luftsportgerät zugelassen, was später noch zu einem mittelschweren Problem wird. Nach Jahrzehnten in Wolters Garage soll der kleine Hochdecker nun, da der Lehrer im Ruhestand ist, also wieder in die Luft kommen, und zwar wie damals der motorisierte Hängegleiter mit einem Honda-Viertakter, diesmal allerdings mit etwas mehr Leistung. Doch der Plan scheitert. Der Honda-Antrieb schüttelt zu sehr, sodass eine andere Lösung hermuss, erzählt Klaus Wolter.
Aus der Not macht er eine Tugend: Der Tüftler plant jetzt eine richtige Antriebswende und will das UL auf Elektroantrieb umrüsten. Dadurch soll es nicht nur leiser und klimaneutral fliegen, sondern auch ohne Vibrationen. Ein E-Motor ist schnell gefunden. Der REX30 von MGM Compro als Sonderanfertigung für den Moskito soll den alten Kolbenschüttler ersetzen. Die Drehzahl des Antriebs ist auf 2400 Umdrehungen pro Minute begrenzt. Als Startleistung bringt er 20 Kilowatt auf den Propeller, die Dauerleistung liegt bei 15 Kilowatt. Bei 10 Kilowatt kommt der Einsitzer auf eine Reisegeschwindigkeit von 70 Kilometer pro Stunde. Der Umbau beginnt im Mai 2021 mit der Lieferung von E-Motor und Controller. Das Ziel: eine französische 120-Kilo-Zulassung, da es in Deutschland dafür keine Prüfstelle gibt. Aufgrund seines geringen Leergewichts passt der Moskito ohne Tank problemlos in diese Klasse. Ohne die beiden Akku-Module wiegt das UL gerade mal 117,9 Kilo. Die Batterien kommen zusammen auf 60 Kilogramm. In der 120-Kilo-Klasse werden sie aber nicht zum Leergewicht gerechnet.
Unterstützung vom Elektro-Spezialisten
Für die Umbauarbeiten bekommt Klaus Wolter Unterstützung von der Firma E-Car-Tech, die auch ihre Räumlichkeiten für das Projekt zur Verfügung stellt. Viele Kleinteile wie Kabel oder Verbindungsstücke steuert E-Car-Tech kostenlos bei. Als Gegenleistung hilft Klaus Wolter seinerseits in der Firma aus. Auch die Zusammenarbeit mit dem Luftschraubenhersteller Helix bringt den Umbau schnell voran. Probleme macht dagegen die Motorsteuerung HBC 280120-3EI von MGM Compro: Die Einstellung des Controllers auf den Elektromotor gestaltet sich schwieriger als erwartet, da er nicht konfiguriert ist. Mit etwas Feintuning bekommt Wolter das Problem aber in den Griff.
Die Energie für immerhin eine Stunde Genussfliegen liefern die zwei Akku-Module aus einem BMW i3, zusammen 10,4 Kilowattstunden. Dank eines gut durchdachten Batteriemanagements sind Motor-Controller, Akkus, Stromsensor, Display und Ladetechnik miteinander verbunden. Der Vorteil: Das System spart eine Menge Gewicht.
Das digitale Display im Cockpit wird zum Sahnehäubchen des Umbaus. Hersteller ist die Firma Andromeda. Die Anzeige liefert in übersichtlicher Anordnung Informationen zu Stromstärke, Drehzahl, Gesamtspannung, niedrigster und höchster Zellenspannung, außerdem Motor-, Akku- und Controller-Temperaturen sowie die gesamte Energiemenge. Zwei Warnlämpchen machen mit rotem und gelben Licht gegebenenfalls auf eine zu niedrige Akkuspannung aufmerksam.
Bürokratie und Umwege bei der Zulassung
Schon im August 2021 ist der Elektroflieger startklar. Trotzdem dauert es bis zum Erstflug nochmals fast zwei Jahre. Der Grund: die Bemühungen um einen deutschen Eintragungsschein mit König-Motor und eine erweiterte Musterprüfung für den eigentlich vorgesehenen Honda-Motor. Denn die deutschen Zulassungsstellen haben noch ein anderes Problem mit dem Moskito: Da das UL bislang noch nie angemeldet war und es den ursprünglichen Hersteller nicht mehr gibt, lehnen der Deutsche Aero Club (DAeC) und der Deutsche Ultraleichtflugverband (DULV) eine Zulassung zunächst kategorisch ab. Da aber glücklicherweise noch ein Musterbetreuer und Stückprüfer existiert, gibt der DULV schließlich grünes Licht, als dieser den Originalzustand bestätigt. Mit einem geliehenen König-
Motor absolviert Wolter einen offiziellen Testflug – für die beantragte französische Zulassung eigentlich nicht notwendig. Das Kennblatt und der Wägebericht eines Prüfers der Klasse 5 genügen dann für den Eintragungsschein, den der DULV ausstellt. Die gute Nachricht: Die Kosten für die bürokratische Prozedur liegen bei lediglich 900 Euro. Und auch der finanzielle Aufwand für den Umbau ist überschaubar: Insgesamt fallen 11 275 Euro an.
Am 26. Juni 2023 startet der Moskito schließlich zum ersten Mal mit E-Antrieb. Es ist nicht nur ein Sieg über die sture Bürokratie bei der Zulassung, sondern eben auch über die vermeintlich starken Argumente gegen den Elektroantrieb.
Ketzerisch könnte man an dieser Stelle fragen: All diese Mühe für nur eine Stunde Flugspaß? Ernsthaft? Die richtige Frage wäre allerdings: Ist nicht jede Art von klimafreundlicher Initiative allemal den Aufwand wert? Erst recht, wenn das Ergebnis mit einem leisen Antrieb ohne Kolbenschüttler ein ganz besonderes Flugerlebnis bietet.